Dachgeschoßausbau - Zuverlässigkeit vs. Verbesserung
Der Dachgeschoßausbau ist tot. Es lebe der Dachgeschoßausbau.
Online seit: 15.06.2013 | Themenbereich: Innenausbau
Leichter und schwerer Ausbau eines Dachgeschoßes - wie wird vorgegangen?
In den letzten Jahren hat sich für Bauherrn und Damen beim Erwerb eines
Dachgeschoßausbaues die Frage gestellt:
Darf´s ein bissl mehr oder muss es doch weniger sein?
Gemeint ist damit die Diskussion über die Thematik des leichten und schweren Ausbaues eines Dachgeschoßes. Geregelt wurde diese Vorgehensweise in Wien durch ein Merkblatt der Ma 37 S (Magistratsabteilung 37 Gruppe Statik). Dieses Merkblatt beschränkt die Bauart (Leichtbauweise, Holz- und Stahlbauweise) und den maximale Gewichtszuwachs ab der letzten Geschoßdecke auf 720 kg/m². Ergeben hat sich diese Begrenzung des Gewichtes aufgrund der Reserven der quer orientierten Aussenwände oder auch Feuermauern in ihrer horizontalen Tragfähigkeit. Voraussetzung für diese Aktivierung der Reserven war eine zusätzliche lastverteilende Decke auf der letzten Geschoßdecke. Meist wurde hier eine Verbundbauweise zwischen den vorhandenen Holzquerschnitten und einer neuen dünnen schubsteifen Betondecke.
Ermittelt wurden diese 720 kg/m² anhand eines Musteraltbaues von einem rechteckförmigen Grundriss von etwa 12 x22 m mit 3-4 Bestandsgeschossen. Diese Grundrissform entspricht dem typischen Wiener Gründerzeithaus in einer Häuserzeile eines Blockes. Nun hat ein Block aber auch Häuser mit Ecken und Kanten und Lücken. Diese Abweichungen Grundriss Form ( L – U oder – H-förmig) hat aber ganz andere Gesetzmäßigkeiten was die Reserven der horizontalen Tragfähigkeiten betrifft. Diese Problematik wurde anfänglich aber ignoriert und auch behördlich akzeptiert. Erst bei genauer Betrachtungsweise hat sich ergeben, dass für diese Art der Häuser die Reserven erst zu ermitteln sind. Dies erfolgte mit einer globalen 3-D Gesamtanalyse des Bestandes mit einer Ermittlung des maßgebend schlechtesten Traggliedes unter der Prämisse, dass nach dem DG Ausbaues keine Verschlechterung der Tragfähigkeit dieses Traggliedes erfolgt und der Rest des Hauses nicht unter die horizontale Tragfähigkeit (Kapazität) des zuerst ermittelten schlechtesten Traggliedes fällt.
Somit war die Kapazitätsanalyse in aller Ohren und wurde auch behördlich akzeptiert. Diese Betrachtung war auch deswegen erforderlich und erfolgversprechend, wenn bereits Änderungen am Bestand vorhanden waren und das Gebäude nur mehr bedingt mit dem Errichtungszustand (Originärer Zustand) ident war. Leider ergaben sich dann doch Konflikte mit den konstruktiven Vorschriften aus dem Merkblatt der MA37/s und somit zu endlosen Diskussionen und teilweise langen Verschleppungen von Bauansuchen bis hin zu einzelnen Weisungen und Aufforderungen an die MA37/s eine Nachweisführung im klassischen Sinne zuzulassen, leider mir wechselnden Erfolgen.
Parallel zu den Entwicklungen der Merkblätter wurden 2008 die OIB Richtlinien (Österreichisches Bauinstitut) https://www.oib.or.at/ eingeführt. Seit 2011 gibt es für die statische konstruktive Beurteilung von Bestandsbauten den Verweis auf den Bezugspunkt des Rechtmäßigen Bestandes anstatt wie vorher auf den originären Zustand was zu großen Irritationen und zu einer neuen Betrachtungsweise des gesamten Nachweiskonzeptes geführt hat.
Die baubehördlich genehmigten Baumaßnahmen im Bestand haben nämlich in einigen Fällen dazu geführt dass es teilweise zu großen Problemen im horizontalen Lastabtrag im Erdbebenfall geführt hätte. Es wurden vor allem in den Erdgeschoßzonen alle Querwände ersatzlos entfernt oder Wohnungszusammenlegungen sehr großzügig gehandhabt. Seit dem Beginn des Inkrafttretens der OIB RL 1 wurde nun sehr eifrig an einer neuen Sichtweise und Nachweisführung seitens der Behörde, einzelner Ziviltechniker und der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten gearbeitet. Seit 1.1.2013 ist es nun soweit. Der Dachgeschoßausbau ist tot.
Es lebe der neue Dachgeschoßausbau.
Nicht mehr leicht, nicht mehr schwer, nicht mehr weniger oder mehr, ohne Merkblatt und Richtlinen einzelner handelnder Personen und Interessensgruppierungen, sondern einheitlich geregelt in den OIB RL 1, ONR 24009 und der ÖNORM B 1998-3 und zwar unabhänging bestehender Bauordnungen. Somit ist die erforderliche Nachweisführung Österreichweit einheitlich geregelt. Nach Jahrzenten der erumwurschtlerei und sehr unterschiedlichen Betrachtungsweisen, auch in der Kollegenschaft, ist nun die Nachweisführung auf ein neues und allgemein gültiges Niveau gestellt.
Es ist nun erforderlich gemäß der aktuellen ONR 24009 und der ÖNORM B 1998-3 (beide mit Erscheinungsdatum 1.1.2013, derzeit nur als Entwurf veröffentlicht) und den damit verknüpften Normen die Nachweisführung zu wählen. Es ist dabei nachzuweisen, dass der geplante Umbau gegenüber dem rechtmäßigen Bestand ein aus einer Risikoanalyse ermitteltes Verbesserungsmaß erfüllt. (Darüber hinaus ist ein einzuhaltender Mindesterfüllungsfaktor (Mindestkapazität) definiert.)Aus diesem Grund ist es erforderlich die tatsächlichen Widmungen der derzeitigen Nutzung festzustellen und ausgehend von einer Feststellung eines rechtmäßigen Bestandes aus rechtlicher und vor allem statischer Betrachtung wird eine Kapazitätsanalyse begleitend zur Einreichstatik erstellt. Sie hat den Zweck festzustellen, ob durch die Mehrbelastung und oder Umwidmung des Hauses durch einen DG Ausbau oder sonstige Veränderung eine Verschlechterung der Zuverlässigkeit des Gebäudes oder einzelner Bauteile erfolgt. Mit Hilfe einer Zuverlässigkeitsanalyse wird die erforderliche Zuverlässigkeit des zukünftig zu errichtenden Gebäudes festgestellt. Die Ergebnisse werden miteinander verglichen um festzustellen, ob Verbesserungsmaßnahmen erforderlich sind.
Mögliche Einflussgrößen sind:
- Erhöhung der zulässigen max. DG-Ausbauhöhe
- Ausweitung der Nutzflächen
- Änderungen der Widmungen
- Alle Umbaumaßnahmen und Materialien in Bezug auf den „damaligen“ Stand der Technik
Was ist nun „wieder“ möglich, wenn es nachweisbar ist:
- Dachgeschoßausbauten ohne Flächen und Höhenbegrenzung außer jener der Flächenwidmung.
- Dachgeschoßausbau in massiver Bauweise ohne von vorn herein aus alle Bauelemente konstruktiv aufzurüsten.
- Einpflegen von verschiedenen Umbauten im Bestand ohne diese unbedingt lokal zu kompensieren (Rahmen).
Was nun erforderlich ist:
- Eingehende Untersuchung des Bestandes, Ausweitung des Ingenieurbefundes mit Feststellung des rechtmäßigen Bestandes.
- Feststellung der Kapazität, Zuverlässigkeit des Bestandgebäudes und dessen einzelnen Bauteilen.
- Bestimmung einer erforderlichen Kapazität/Zuverlässigkeit mittels einer Zuverlässigkeitsanalyse (veränderte Personenanzahl)
- Ermittlung eines Verbesserungsmaßes aus dem Vergleich der Zuverlässigkeiten.
- Interne Überwachung der Planungsleistung (DG Ausbauten gliedern sich in die Schadensfolgeklasse CC2 ein, Vieraugenprinzip)
Für alle Beteiligten Planer, welche auch bisher schon mittels 3-D Analysen die Kapazitäten von
Bestandsbauten bestimmt haben und dies als Grundlage von weiteren Berechnungen
verwendet haben, werden sich die Aufwändungen und Neuerungen in Grenzen halten. Für
Kollegen die bis dato eher den laissez faire walten ließen, wird dies ein entscheidender Schritt
in der Qualität Ihrer Aussagen werden.
DI Dr. Klaus Petraschka
Bildquelle: Plus ONE/shutterstock.com
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Redaktion Bauwohnwelt
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